In einem Film hörte ich, wie jemand sagte „Logik kann Überzeugungen ändern, wenn diese auf Logik beruhen“. Es käme aus dem Französischen, fügte er hinzu. Ich verfolgte danach gar mehr die Handlung, sondern dachte mir, diese Franzosen schon wieder.
Als pubertierender 15jähriger begeisterte ich mich für Sartre und auch Camus. Ich trug schwarze Rollkragenpullover und hörte, dass das mit Existenzialismus sowieso nur auf französisch richtig durchdacht werden könnte. Die deutsche Sprache könnte das Persönliche gar nicht richtig ausdrücken. Ich wählte Französisch nach einem halben Jahr ab, da mir die Sache mit den Nasalen zu doof war.
Diese Übersetzung einer französischen Idee sprach mich sofort an, da ich seit Corona weiß, wie das ist, wenn man in der Minderheit ist und kein Argument den Freund, Verwandten oder Kollegen überzeugen will. Dabei war meine Überzeugung doch so logisch!
Das fanden alle anderen aber auch und so schlug ich ihnen meine Argumente und Informationen um die Ohren. Sie schlugen mit den ihrigen zurück oder meinten „Das kenne ich nicht, dazu kann ich nichts sagen“. Mit der Zeit vermied ich es missionieren zu wollen.
Und nun kam es wie ein Dogma: Überzeugungen, die nicht überlegt wurden, lassen sich schwer durch Logik ändern!
Wie gut, dass ich nicht mehr versuche andere zu überzeugen und stattdessen einfach lausche und recht gebe. Aber dann fielen mir zwei Episoden ein, die zu Kompromissen führten:
Zum einen die Situation in der Kantine im Sommer, als ein Kollege meinte, er überlege sich, ob der nicht doch besser wieder die Maske in den Öffis anziehen sollte, weil Corona ja wieder umginge. Ich war schockiert und fing an zu predigen, dass die Maske gar nicht gegen Viren helfen würde. Dies sei sogar in der DIN-Norm festgelegt und früher stand auf der Maske „Hilft nicht gegen Viren oder Bakterien!“. Seit Corona steht da: „Kann gegen Viren oder Bakterien helfen“.
Der Kollege verteidigte sich so gut er konnte, aber ein Dritter wollte wohl schlichten und meinte: „Da hast Du es doch. Es kann helfen. Und wem es denn hilft, der soll dann eben Maske tragen“.
Meine Antwort: „Das ist dann wie ein Talisman. Der hilft ja auch alleine wegen der Plazebowirkung. Früher hatten die Leute Amulette mit Heiligenbildern. Die halfen bestimmt auch. Immerhin wurden die verkauft!“ hat anscheinend tatsächlich bewirkt, dass keiner der Kollegen mit Maske aufgetaucht war.
Ein anderes Argument für die Maske hörte ich bei einem Besuch bei Freunden. Sie, eine Professorin der Physik, brachte: „Die Maske hat einwandfrei funktioniert. Auch wenn ich immer höre, dass das gar nicht geht, weil die Viren zu klein sind. Jedenfalls hatte ich mit Maske nie eine Erkältung. Jetzt, ohne Maske, werde ich öfter wieder heiser. Da muss etwas dran sein am Maskentragen“.
Das mit Talisman passte hier nicht. Dann fiel mir ein: „Eine Erkältung bekommst Du, wenn die Schleimhäute durch die kalte Luft austrocknen. Da könnte eine Maske helfen, da die Luft wärmer und feuchter wird, wenn Du durch den Stoff atmest. Beim Joggen im Winter tragen auch viele einen Schal vor dem Mund, damit es nicht so auf die Bronchien schlägt.“
Das Gespräch wandte sich dann anderen Dingen zu.
So entdeckte ich ein neues Verhalten bei angesprochenen, diametral entgegensetzten Überzeugungen. An Stelle von argumentativem Um-die-Ohren-hauen von Argumenten oder eisigem Schweigen trat das Anpeilen von Kompromissen. Das war in etwa vergleichbar mit den Begegnungen auf schmalen Wegen. Hier kann man Platz machen verlangen oder einfach selber Platz machen, oder aber auch die Schulter des Entgegenkommenden anpeilen. In diesem Fall weicht dieser dann meistens ein wenig aus und man kommt unbeschadet aneinander vorbei. So wird die eigene Position ohne direkte Konfrontation klar gezeigt.
Ob ich das auch beim Weihnachtsessen mit den Kollegen versuchen sollte? Dort treffen Vegetarier und normale Esser aufeinander. Es könnten die Themen wie Nachhaltigkeit und Klima und so angesprochen werden. Vielleicht doch besser Kinder, Enkel und Weihnachten ansprechen?