Der nutzlose Baum


Hui Tsu sagte zu Chuang:
„Ich habe einen großen Baum
Der ist von der Sorte ‚Stinkbaum‘.
Der Stamm so verwachsen
so voller Knoten
Niemand bekommt ein gerades Brett
daraus. Die Äste sind so verkrümmt
Du kannst sie nicht so aufteilen
dass es einen Sinn macht.

So steht er an der Straße
Kein Schreiner würde ihn je ansehen

So sind Deine Lehren
groß und unnütz!“

Chuang antwortete:
„Hast Du je eine Wildkatze beobachtet?
Kriechend, suchend nach Beute
Sie springt nach hierhin und dorthin
Hoch und Nieder und zuletzt
landet es in einer Falle.

Aber hast Du je einen Yak gesehen?
Groß wie eine Gewitterwolke
steht er in seiner Macht
Groß? Sicher
doch fängt er keine Mäuse!

Zu Deinem großen Baum. Kein Nutzen?
Pflanze ihn in eine Einöde.
In die Leere
Geh untätig drumherum
Raste in seinem Schatten
Keine Axt, keine Rechnung bereitet sein Ende
Niemand wird ihn je fällen

Nutzlos? Du solltest Dich sorgen!

Vor 2.500 Jahren wurde dieser Dialog in China zu Papier gebracht. Ich kaufte vor 40 Jahren ein kleines Buch mit dem Titel „The Way of Chuang Tzu“. Thomas Merton, ein Franziskanermönch, veröffentlichte darin seine Übersetzungen dieser und anderer Schriften.

In der Corona-Lockdown-Zeit habe ich das alte Heft wieder gelesen und dachte, es wäre vielleicht nützlich es zu übersetzen. Der Orden von Thomas Merton, bei dem die Rechte liegen, hatte nichts dagegen und ich freute mich etwas Nützliches zu tun.

Das genaue Übersetzen lehrte mich etwas. Den letzten Satz sehe ich als Schlüssel an:

Warum sollte sich Hui Tsu sorgen, er hat doch nur nach dem Nutzen der Lehren gefragt?

Wer nur nützliches tun will, sieht den Nutzen von vermeintlich unnützen Dingen eben nicht.

Ich mir vorgenommen, sämtliche Kapitel im Lauf des Sommers 2022 zu übersetzen und etwas dabei zu lernen.


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