Wir geben da was


Wir hatten die Sammeldose unten an dem Schild vom Alpenverein mit der Beschreibung der Loipen vorher gar nicht wahrgenommen. Es waren nur zwei Loipen gespurt. Eine einfache, flache Runde führte zu dem Windrad, deren Flügel sich weiter hinten drehten. Durch den Acker hinauf zum Waldrand und auf der anderen Seite wieder herunter, dann zurück an der Seite der Straße verlief die Runde, auf der ich mich versucht hatte. Meine Frau machte von dieser Runde nur den ersten Teil, hinauf zum Waldrand. Das ging bergauf und es war alles unter Kontrolle. Dann wendete sie und versuchte möglichst aufrecht wieder herunter zu rodeln.

Als wir Jahre vor Corona zum ersten Mal hier waren, trauten wir uns als blutigste Anfänger zunächst kaum auf die Loipe. Die Langlaufski hatten wir noch aus der Zeit, als wir im Schwarzwald wohnten. Gelaufen sind wir dort nie so richtig, weil man bergab so schnell wird und ebene Strecken so selten in den Bergen sind. Freunde hatten uns beredet das doch mal zu probieren. Wir kauften uns gebrauchte Skiausrüstungen, die, einmal ausprobiert, fortan im Keller auf Einsatz warteten. Beim Umzug nach Nürnberg warfen wir diese nicht weg, weil zum einen auch in Nürnberg der Keller genug Platz bot und zum anderen wir immer noch vor hatten irgendwann das doch mal in Ruhe auszuprobieren.

Die Zeit kam im Winter 2016 oder 2017. In Nürnberg fiel soviel Schnee, dass wir Skilangläufer im Park beobachten konnten. Kaum hatten wir uns aufgerafft, die Ski aus dem Keller zu holen, da war der Schnee in der Metropole wieder abgetaut. Diese Enttäuschung berichtete ich meiner U-Bahnbekannten. Das war eine Frau, die mit mir einen Teil der morgendlichen U-Bahn nach Fürth nahm. Wir lachten einmal zusammen über eine dumme Bemerkung eines Kindes und ab da grüßten wir immer, wenn wir uns trafen. Sie gab mir den Tipp mit der Waller Loipe. Dort sei es gerade ein wenig höher, so dass dort immer noch Schnee liegen würde, wenn dieser in Nürnberg schon abgetaut wäre.

Wir probierten das damals am nächsten Wochenende aus und fanden tatsächlich den Weg zur Loipe. War unten schon alles abgetaut, so wurde es den Weg hinauf Meter für Meter winterlicher. Hinter dem Ortsschild „Waller“ kurvten wir durch ein Langlaufdorf. Links und rechts der Straße liefen Leute in bunter Skikleidung mit geschulterten Skiern, Kinder erzwangen Schritttempo und der Parkplatz, auf dem wir 2021 den Stellplatz wählen konnten, war hoffnungslos überfüllt. Wir folgten der Straße aus dem Dorf heraus und wunderten uns über die Autos, die auf der rechten Seite im Schnee aufgereiht standen. Ganz am Ende der Reihe fand sich ein Platz für unser Gefährt.

Dann galt es, die Skier und Stöcke aus dem Auto zu bekommen. Wir hatten ja keinen Dachgepäckträger. Die Rücksitze waren umgeklappt und in dem so vergrößertem Kofferraum lagen die Skier und Stöcke schräg herum. Unsicher fragte ich mich, was denn nun zu machen war. Im Schwarzwald waren immer Freunde dabei, die wussten, wie mit dem Gerät umzugehen war und auch was zuerst gemacht werden sollte. Da brauchte ich nur mitzumachen. Aber so legte ich die Stöcke auf den Schnee, um festzustellen, dass diese in den Schnee gerammt gehören, damit sie sich nicht selbstständig machten. Zum Glück trafen noch andere Wagen ein, die vor uns parkten und Passagiere entließen, die genauso unbeholfen ihre Ausrüstungen ausluden.

Auf der linken Straßenseite waren Spuren von anderen Skiläufern, die hier auch einfach bis zur Loipe quer eingestiegen waren. Es sah einfach aus. Aber zunächst kämpften wir mit der Bindung. Wir verbrachten den Anfang unseres Ausflugs auf die Loipe mit dem Ein- und Aussteigen aus den Bindungen. Zum Einsteigen galt es mit dem richtigen Winkel die Spitze des Schuhes auf die Klammer zu drücken, bis es ein Klick gab. Dann konnte man durch Anheben vom Fuß überprüfen, ob die Bindung wirklich hielt. Der erste Schuh ging problemlos herein, aber der zweite war in aller Regel schwierig. Man stand dann nicht mehr so still. Heraus ging es mit Druck auf die Vorderseite der Bindung und herausheben des Schuhes. Auch das wollte geübt sein.

Eben dieses Üben gestaltete sich ganz zwanglos. Kaum hatte ich beide Schuhe in den Skiern festgeklemmt, machte sich ein Ski selbstständig, weil das Klickgeräusch nicht laut genug war. Um den Ski wieder einzufangen, galt es, die Bindung geschwind aufzumachen. Als schlussendlich alles bei mir so weit ok war, musste ich meiner Frau helfen, die mit ähnlichen Aufgaben kämpfte.

Zum Glück passte die Temperatur ziemlich zur Kleidung und auch die Fehlversuche der anderen Pistenneulinge machten Mut einfach weiter zu probieren. Wir fanden uns schließlich am Waldrand mit angelegten Skiern wieder. Meine Frau meinte, ich solle nur schon auf der Loipe weitermachen, sie würde eher draußen bleiben und nur so ein wenig üben. Kaum war ich in der Spur erinnerten sich die Beine und Arme wieder, wie man in Schwung kommt. Soweit es bergauf ging, war alles in Ordnung. Aber wie war das mit dem Bremsen? Auf der Kuppe stieg ich aus der Loipe heraus und bewunderte meine nachfolgenden Skiläufer. Diese gingen in die Hocke, nahmen Fahrt auf und verschwanden zügig.

Ich ging nicht in die Hocke, sondern ließ die Stöcke im Schnee schleifen, damit es möglichst langsam herunter ging. Als es dann doch schneller wurde, versuchte ich einen Ski aus der Spur zu nehmen und damit zu bremsen. Aber das war mir dann doch zu gewagt. Besser schien mir die Stöcke in den Schnee zu drücken und damit zu bremsen. Irgendwie funktionierten diese Manöver auch. Unten angekommen ging es um das Waldstück zurück wieder bergauf.

Meine Frau hatte mittlerweile herausgefunden, dass sie sich problemlos fallen lassen kann, um zu bremsen. Andere Skiläufer hatten ihr das erklärt. Beruhigt machte ich mich an die nächsten Runden, bis wir genug hatten.

Wir machten ein Selfie mit uns auf der Loipe. Der Himmel war blau, die Bäume im Hintergrund schneebedeckt und offensichtlich standen wir auf, oder zumindest in der Nähe einer Loipe. Unsere Kinder feierten später die Wattsup Nachricht. Endlich entdeckten die Alten den Wintersport!

Nachdem Ablegen der Skischuhe und dem Verstauen der Utensilien im Auto, sahen wir uns in dem Weiler um. Das Schild am Parkplatz mit den Loipen fand meine Aufmerksamkeit. Alle waren damals gespurt. Sie verbanden einige Orte und es gab zwei Rundloipen. Von der einen hatte ich einen Teil gemacht, aber es war wohl auch eine ganz flache vorhanden, die nur zu dem Windrad führte. Betreut wurden die Loipen anscheinend von einer Gaststätte im Weiler. Da mussten wir vorbeischauen.

Vor der Tür standen Skier und Skistöcke. „Ob die noch Platz haben?“, fragten wir uns gar nicht. Es war eher ein „Wie sieht es darin wohl aus?“.

Innen war es voll. An jedem Tisch saßen Gruppen. Aber einigen Tischen waren noch Plätze frei und, bevor wir fragen konnten, hieß es schon „setzt Euch nur her“. So saßen wir an einem Tisch mit einem Langläufer, der vom Nachbarort herauf gekommen war und sich auf den Rückweg vorbereitete. 20 Km war seine Strecke herauf gewesen. Daneben saß ein Paar, das sich, wie wir, erinnert hatte, dass noch Skier im Keller waren. Allerdings konnten beide richtig bremsen, weil sie einen Kurs gemacht hatten, den wir auch demnächst belegen wollten. Die Idee sich einfach hinzusetzen, wenn es zu schnell würde, fanden sie schon in Ordnung. Hier waren die Abfahrten noch ganz harmlos. Es wäre genau richtig zum Üben.

Im Januar 2021 lachte die Sonne vom blauen Himmel auf die zwei gespurten Loipen und den nahezu leeren Parkplatz. Wir suchten uns einen Platz ganz an Anfang aus. Der Kampf mit der Skiausrüstung verlief ganz unspektakulär. Auf den Loipen war kaum etwas los. Die Profis liefen in der Skatingspur. Die klassische Spur war so gut wie leer. Etwa ein oder zwei Stunden versuchten wir uns im möglichst nicht hinfallen, dann ging es wieder zum Auto. Nach dem Verstauen der Utensilien gab es einen Schluck von dem mitgebrachten Tee und eine genauere Inspektion der Umgebung. Diesmal lasen wir die Bitte, doch etwas für das Spuren der Loipe zu spenden. „Wir geben da was“, meinte meine Frau und ich stopfte einen Schein durch den Schlitz.

Wir liefen noch durch das Dorf. Bei dem Restaurant gab es vor der Tür einen to-go Verkauf von Tee und Glühwein. Hinter einem Biertisch mit Kesseln und Tassen stand ein trauriger, recht alt wirkender Mann. Wir mussten einfach etwas kaufen und stellten beim Gespräch fest, dass er mit uns einer Meinung war. „Aber irgendwie muss es ja weitergehen“, war sein Motto.


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